Mehr Biss für Schweizer Manager?
Kolumne publiziert in „Chefsache“ der
Handelszeitung Nr. 33, 16.-22. August 2006.
von
Dr. phil. Sonja A. Buholzer
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Gegen zehn Prozent der Chefsessel dieses Landes
sei von ausländischen Managern besetzt. Besser ausgebildet,
leistungsbereiter und führungsstärker seien sie. Tendenz steigend.
Kann sein, dass die schweizerische Eigenart von Zurückhaltung und
leisen Tönen gar etwas bizarr wirkt inmitten von siegeswilligen
Kanonieren im globalen Wettbewerb. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Dass dahinter aber auch mangelnde Entscheidungskraft, ein wenig
stabiles Selbstvertrauen oder gar Saturiertheit im Umgang mit
persönlicher Performance und Führungsschwäche stecken könnte, darf
man wenigstens andenken. Vielleicht brauchen wir mehr Biss, mehr Mut
zu Leadership, Entscheidungsstärke, klare Worte und ein Bekenntnis
zur Top-Leistung und Excellenz? Vielleicht braucht es auch die
Entschlossenheit, über eigene Grenzen von Wahr-Nehmung, Werturteilen
und Selbstbildern hinauszusteigen, um in solchen Erfahrungen zu
wachsen. Zum Beispiel im Tauchen mit Haien, jener Verkörperung von
menschlichen Urängsten, hinter denen ganze Welten schlummern. Wer
vom 420 Millionen Jahre alten Top-Surviver der Evolution lernen
will, wird Reifeprüfungen bestehen müssen.
Er wird seine Angst im Sprung zu den Tieren überwinden, in seriöser
Vorbereitung seinen Puls in den Griff kriegen und sein Wissen im
Umgang mit den Tieren präsent halten müssen. Gefragt sind
Teamfähigkeit, Selbstverantwortung und absolute Wachheit.
Wesentlichste Erkenntnisse im Umgang mit Haien lassen sich direkt
aufs Management transferieren: tauche niemals alleine mit ihnen,
sondern stets im koordinierten Team. Ein einziger kann die gesamte
Gruppe in Gefahr bringen, wenn er unbedacht handelt. Eine
360°-Präsenz und Dauereinschätzung der Situation ist notwendig,
absolute Präsenz, adäquate Einhaltung von Nähe und Distanz,
Augenkontakt und eine Interaktion mit allen Sinnen – inklusive
Intuition – sind entscheidend. Die Beurteilung von inneren und
äusseren Kreisen, von Körpersprache und Umgebungsveränderungen, von
Hierarchie- und Territorialverhalten, vom Umgang mit veränderten
Faktoren und der eigenen Panik- und Reaktionseinschätzung sind
entscheidend.
Wer im falschen Moment obenauf schwimmt, zu lange und tief unten
bleibt, wer seine Luftreserve falsch einschätzt, seine Nullzeit und
den geordneten Rückzug verpasst, wer die Nerven verliert und den
Alleingang übt, taucht gefährlich. Man wird seine Abhängigkeit von
andern und die Ehrfurcht und Demut vor dem Top-Räuber erfahren. Und
darin Erkenntnis finden. Auch diese: Missbrauche niemals deine
Position, sondern nutze Deine Macht, um deine Umwelt im
Gleichgewicht zu halten. Dies ist eine der zentralen Strategien,
welche den Hai zum Ueberlebenskünstler der Evolution gemacht haben.
Dr. Sonja A. Buholzer
ist Inhaberin der Zürcher Wirtschaftsberatung VESTALIA VISION.
Persönliche Beraterin von Wirtschaft und Politik.
Wirtschaftsreferentin im In- und Ausland. Mehrfache
Bestsellerautorin. Im Juli erschienen: SHARK LEADERSHIP. Management
hinter den Grenzen der Angst. Orell Füssli, 2006.
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